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Leserbrief: �Den Offsetdruck� gibt es nicht!

Publisher-Serie «Standardisiertes Drucken»

«Den Offsetdruck» gibt es nicht!

Der Artikel im Publisher 1-07 zum Wildwuchs an «ISO Profilen» hat einige Reaktionen ausgelöst. Kurt K. Wolf verdanken wir einen Leserbrief, der sich mit der Ursache des beschriebenen Problems auseinandersetzt: Dem Offsetdruck als beweglichem Ziel.

Mit grossem Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen und möchte Ihnen danken für die sehr detaillierte Darstellung über die Irrungen und Verwirrungen um die ISO Profile. Damit klären Sie zwar die Folgen eines Problems, gehen aber nicht auf dessen Ursachen ein.

Ihr Beispiel mit den standardisierten Schrauben geht davon aus, dass messtechnische Vorgaben eine Norm schaffen, damit Schrauben jeglicher Materialart zueinander passen. Diese Norm ist umsetzbar, weil die Messtechnik bei der Schraubenherstellung feiner ist als der praktische Anspruch an genormte Schrauben.

Der Offsetdruck ist das Problem

Die Ursache aller von Ihnen dargestellten Probleme liegt darin, dass wir im Offsetdruck einen vorgeschriebenen Produktionsprozess aus vier Normfarben haben, die in der Offsetdruckmaschine in vorgeschriebenen Schichtdicken auf das Druckpapier übertragen werden. Die übertragene Schichtdicke wird nun nicht etwa in der Höhe des Farbauftrags gemessen, sondern aufgrund ihrer sichtbaren Wirkung auf dem Papier. Diese misst man mit einem Densitometer auf Rasterkontrollkeilen in gewissen Tonstufen und der vollen Tiefe. Diese Messung ist der einzig brauchbare Weg, den Farbauftrag der vier Prozessfarben zu messen und in Zahlen auszudrücken. Er ist das messtechnische Gegenstück zur ISO Norm für Schrauben!

Für die Irrungen und Weiterentwicklungen der Profile sehe ich zwei Ursachen, die beide nicht zu beheben sind: die visuelle Beurteilung von Drucken und der Offset als Druckverfahren.

Die visuelle Beurteilung

Multipliziert man die hundert Rasterprozentwerte eines autotypischen Rasters mit den drei Farben CMY, erhält man 10.000 Farbtöne, die der Offsetdruck darstellen kann. Wieviele Farben das menschliche Auge darstellen, also in der Natur unterscheiden kann, wird von Wissenschaftern mit 1-3 Millionen angegeben. Das bedeutet, dass das einzige «Messgerät» des Druckereikunden, sein Auge, mindestens hundertmal mehr Farben unterscheiden kann als der Offsetdruck wiedergibt!

Der logische Schluss müsste sein: Die Einhaltung der Norm eines Offsetdrucks wird durch die densitometrische Messung überprüft, nicht durch den visuellen Vergleich von Farbbildern. Leider aber wollen Drucksachenkunden keine Normdrucksachen, sondern genau definierte Farbwiedergaben, die sie mit dem Auge überprüfen.

Damit kommen wir zur zweiten Ursache: Dem Offsetdruck.

Das Offsetdruckverfahren

Das auf der Abstossung von Fett und Wasser beruhende Prinzip der Lithografie hat im Offsetdruck zu viele Variablen, wenn man eine visuelle Übereinstimmung anstrebt, sei es die von Andruck zu Fortdruck oder die vom Fortdruck zu einer früheren Druckauflage.

Da ist erstens die Druckfarbe, die als Farbnorm vom Lieferanten in Büchsen oder grösseren Gebinden geliefert wird und auf die der Drucker keinen Einfluss hat, die aber sowohl von unterschiedlichen Farbherstellern als auch im Laufe der Zeit Unterschiede zeigen. Das ist nicht das Unvermögen der Hersteller, sondern liegt in den organischen Substanzen der Farbpigmente und der Trägermittel wie Firnisse und Öle. Organische Grundstoffe konstant zu halten scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Das Gleiche gilt für das Papier als organisches Material. Der Ausgangsstoff der Zellulose weist bereits Unterschiede auf, die Füllstoffe und Farben der Papierherstellung vergrössern sie noch. Unsere Einteilung in Papierklassen ist ein netter Versuch zur Standardisierung, aber ebenso ein «Scheunentor» wie der ProzessStandard Offset.

Im «Deutscher Drucker« veröffentlichte ich Mitte 2006 einen Artikel über eine Versuchsserie der Heidelberger Druckmaschinen mit einem Stuttgarter Vorstufenbetrieb, der ergab, dass die Druckergebnisse auf einem Papier mit 80 Gramm/m2 völlig anders aussahen als das auf dem gleichen Papier mit 120 Gramm/m2 gedruckte, bei völlig identischen Druckbedingungen!

Farbprofile für den Offsetdruck

Das Problem liegt also in der Natur des Offsetdrucks und ist damit unlösbar. Würde man auf synthetische Kunststoffe mit UV-Farben drucken, wären viele dieser Variablen behoben – es blieben aber immer noch die Variablen der Reproduktion, der Plattenherstellung und der Druckmaschine. Der genormte Offsetdruck ist deshalb ein bewegliches Ziel, das sich ständig ändert!

Gerade deshalb begrüsse ich die Entwicklung neuer Farbprofile, weil sie uns weiter helfen, den Offsetdruck immer besser zu standardisieren. Nur dürfen wir nicht vergessen, dass es «den Offsetdruck» gar nicht geben kann, und dass sich die Altona Testsuite folglich auch in Zukunft ändern muss, ebenso wie die Profile.

Umso mehr begrüsse ich, dass es Chefredakteure gibt, die sich der Mühe unterziehen, ihren Lesern die Hintergründe der Profilentwicklung darzulegen und der Lieferindustrie zu zeigen, wo sie irrt und wo Handlungsbedarf besteht. In diesem Sinn hoffe ich, dass Ihr Artikel im «Publisher« an die zuständigen Herren bei Adobe geschickt wird. Denn die wollen auch, dass ihre Anwendungsprogramme so gut wie möglich sind und sind dankbar für jeden Beitrag, der ihnen dazu weiterhilft.

Kurt K. Wolf, Deutscher Drucker

Neuer Workflow beim Publisher

Wir vom «Publisher» waren immer bemüht, nicht nur aus der sicheren Distanz der Redaktionsstube über brisante Themen zu schreiben, sondern selbst Erfahrungen zu sammeln. So nun auch beim «standardisierten Drucken». Mit diesem Heft beschritten wir neue Wege, indem wir die Drucksituation profilierten und die Daten in dieses Profil verrechneten. Wir stellten nämlich fest, dass die Drucksituation mit dem von uns bevorzugten Papier «Furioso» durch kein Standardprofil abgedeckt wird. Auf das Resultat sind wir selbst gespannt – wir werden im nächsten Heft ausführlich darüber berichten! Das Bild zeigt oben die Datenaufbereitung gemäss ISO Coated, unten mit dem neuen, selbst erstellten Profil.